Liebe Leserin, lieber Leser
Geduld sei eine Tugend, wird ja gerne behauptet, Disziplin sowieso. Und auch wenn es Spass macht (oder gerade deshalb?), ist ein flatterhaftes Leben in der heutigen, durchgestylten Instagram-Gesellschaft verpönt.
Nachhaltig und rücksichtsvoll soll man sein Dasein gestalten. Keine fiesen Wörter benutzen und ja immer schön achtsam sein. Mittlerweile werden ja bereits Bücher von sogenannten «Sensitivity Readers» auf heikle Stellen abgeklopft und Kinderbücher und die James-Bond-Romane von Ian Fleming werden umgeschrieben, damit ja niemand versehentlich traumatisiert wird. Nicht auszudenken, wenn ein Kind nichts ahnend über wüste Wörter wie «fett» oder «kleinwüchsig» stolpert. Wie lange es wohl noch dauert, bis meine Kolumne hier mit einer Trigger-Warnung versehen wird?
Sie spüren es wohl: Moralapostel sind mir ein Gräuel. Menschen, die predigen, sind mir grundsätzlich suspekt. Aber ich stehe niemandem im Weg, der ein rigides, enthaltsames, und veganes Leben führen möchte (auch wenn ich es trostlos finde). Sie sollen mich einfach nicht damit behelligen. Warum dieser Diskurs, mögen Sie sich fragen?
Grundstein für den Erfolg beim Geldanlegen: Geduld und Disziplin
Ganz einfach: Ganz ohne Tugend geht es eben doch nicht. Und keine Angst, ich möchte Sie nicht davon überzeugen, Ihren Alkoholkonsum zu mässigen, weniger zu rauchen oder keine Pferdewetten mehr abzuschliessen. Mir geht es einzig und allein ums Geldanlegen. Denn eine flatterhafte Anlagestrategie ist der sichere Weg, um seinen Erfolg zu gefährden. Hin und her macht Taschen leer, Hüst und Hott führt in den Bankrott… oder so ähnlich.
Gerade jetzt macht sich bei mir (und bei Ihnen womöglich auch) wieder ein leises Unbehagen in der Magengrube bemerkbar. Der Krieg in der Ukraine nimmt kein Ende, im Gegenteil, man erhält den Eindruck, die Russen gewinnen langsam die Oberhand. China spannt weiter mit Russland zusammen, und nun machen auch noch Brasilien und Südafrika Anstalten, mit ins Boot zu steigen. Wie es scheint, entwickelt sich die Geopolitik gerade in eine ungute Richtung. Die Inflation geht auch nicht so schnell zurück, wie erhofft, die Notenbanken drohen wieder mit weiteren Zinsschritten und nicht wenige Unternehmen meldeten jüngst lauwarme Ergebnisse. Wer kann es da den Anlegern verübeln, wenn sie mit dem Gedanken spielen, in ihrer Anlagestrategie die Risiken zu reduzieren? Wer will im aktuellen Umfeld schon Aktien kaufen?
Mit dem Hintern investieren, nicht mit dem Kopf
Und hier kommen eben die Disziplin und die Geduld ins Spiel. «Wer mit Aktien Geld verdienen will, macht dies nicht mit dem Kopf oder mit dem Bauch, sondern mit dem Hintern, indem er möglichst lange drauf sitzen bleibt», lautet eines meiner Lieblings-Börsenbonmots. Nur wer für die lange Frist Aktien kauft, profitiert vollumfänglich vom Aufwärtstrend an den Aktienmärkten. Erhellend ist diesbezüglich das Investment Returns Yearbook. Lassen Sie sich nicht davon abschrecken, dass es von der Credit Suisse herausgegeben wird. Diese Studie, die jedes Jahr aufdatiert wird, ist nämlich eine wirklich gute Sache. Sie ist gespickt mit spannenden Zahlen und Fakten und präsentiert langfristige Performancevergleiche von verschiedenen Anlageklassen rund um den Globus. Immer, wenn ich nervös werde und in Versuchung gerate, meine Anlagestrategie defensiver auszurichten – sprich: Aktien taktisch zu verkaufen – werfe ich einen Blick auf die langfristigen Aktienrenditen im CS Yearbook. Und sogleich wird mir warm ums Herz: Denn seit 1900 haben beispielsweise Schweizer Aktien im Schnitt jedes Jahr 4,5% abgeworfen (packt man die Inflationsrate noch obendrauf, sind wir bei fast 7%). Noch besser waren Aktien in den USA: Sage und schreibe 6,4% warfen sie real pro Jahr ab!
Anlagestrategie: Aktien schlagen Anleihen
Und die vergangenen 123 Jahre waren beileibe nicht arm an Krisen – zwei Weltkriege, die Grosse Depression, der Kalte Krieg, der Dotcom-Crash, die Grosse Finanzkrise, Corona, nun der Krieg in der Ukraine, etc. – und trotzdem legten Aktien auf lange Frist markant zu. Die 4,5% sind ja gut und recht, wie steht es aber um die vermeintlich sicheren Alternativen? Langfristige Schweizer Anleihen warfen in derselben Zeit im Mittel nur gerade magere 2% ab. In keinem Land hätte man beim Geldanlegen mit Anleihen im Durchschnitt besser abgeschnitten als mit Aktien. Zum Vergleich: bei einer jährlichen Rendite von 4,5% verdoppelt sich Ihr Vermögen nach 16 Jahren, bei einer Rendite von 2% dauert es bereits 35 Jahre!
Natürlich: das Auf und Ab bei den Aktien war wesentlich grösser. Es gibt auch keine Garantie, dass die künftigen Renditen ebenfalls so üppig ausfallen werden wie in der Vergangenheit. Der Blick zurück zeigt aber deutlich, dass beim Aktien kaufen die Erfolgsquoten stark zu Ihren Gunsten ausfallen.
In diesem Sinne: schenken Sie sich ein Glas Rotwein ein, kaufen Sie Aktien und beweisen Sie Sitzfleisch beim Geldanlegen!
Ihr Mark Stock©
Mark Stock ist ein Mitglied der Point Capital-Redaktion. «Ich bin begeisterter Börsianer und befasse mich leidenschaftlich gerne mit Wirtschaftsgeschichte. Seit Jahren verfolge ich das Auf und Ab an den Märkten und investiere natürlich auch selber – bevorzugt in Aktien. Mein Name ist also Programm. Jeden Monat greife ich an dieser Stelle ein aus meiner Sicht spannendes Thema auf. Und da der Inhalt und nicht meine Person im Zentrum stehen soll, schreibe ich unter einem Pseudonym.»