Liebe Leserin, lieber Leser
Ich habe es schon immer gewusst: Aktien sind besonders riskant! Es gibt ja kaum noch einen Börsenindex, der sich nicht in einem Bärenmarkt befindet. Beim Nasdaq kann ich’s ja noch verstehen – all diese Technologie-Aktien sind ja nur etwas für Zocker, beim Euro Stoxx auch, Europa ist ohnehin nicht mehr zu retten. Aber sogar der ehrwürdige Schweizer Leitindex, der SMI, hat zwischenzeitlich fast 20% von seinem Rekordhoch eingebüsst!
Das – und noch viel mehr – musste ich mir kürzlich von meinen Schwiegereltern anhören. Nun gut, für einmal haben sie nicht ganz unrecht, an den Börsen weht uns momentan tatsächlich eine ganz steife Brise entgegen. Die giftige Mischung aus hoher Inflation und rasanter Wachstumsabkühlung ist wahrlich kein fruchtbarer Boden für Kursgewinne an den Aktienmärkten (hat da jemand Stagflation gesagt?). Nicht einmal mehr auf den guten US-Notenbankchef Jerome Powell ist Verlass.
Nun ist es das eine, Aktien für riskant zu halten – natürlich sind sie es, sonst wäre ihre langfristige Rendite nicht so phänomenal. Wenn man dann aber im Umkehrschluss alles andere für sicher hält, dann wird es wirklich gefährlich. Ich möchte Sie ja nicht mit meinen Schwiegereltern langweilen, aber während sie Aktien für brandgefährlich halten, können sie seelenruhig nahezu ihr ganzes Vermögen in eine Immobilie investiert, eine immer noch recht imposante Hypothek haben und dennoch überzeugt sein, ihre Ersparnisse seien «konservativ» angelegt. Natürlich glauben sie das nur, weil ihnen «Mr Market» nicht jeden Tag einen Preis für ihr Eigenheim anzeigt. Sonst würden ihnen die (im Falle des Schwiegervaters eher spärlichen) Haare zu Berge stehen.
Es ist naiv zu glauben, der Zinsanstieg habe den Wert der Immobilien nicht in Mitleidenschaft gezogen. Damit Sie einen Eindruck erhalten: Kotierte Schweizer Immobilienaktien haben in diesem Jahr 14% verloren! Aber eben, erst wenn man einen Käufer sucht, bemerkt man den Wertverlust. Und dass gerade die Tatsache, dass es keinen täglichen Preis für ihr Haus gibt, ein enormes Risiko darstellt, realisieren auch die wenigsten Immobilienbesitzer. Wenn ich unverhofft Cash brauche, kann ich meine Aktien sofort verkaufen – klar, womöglich zu einem Abschlag, aber ich kann sie jederzeit liquidieren. Versuchen Sie das mal mit einem Haus!
Höre ich da die lustige Wortkombination «sichere Staatsanleihen»? Wer bei den jetzigen Inflationsraten, die letztmals so hoch waren als Tom Cruise noch kein Bier bestellen durfte, auf Bonds setzt, kann seinem Vermögen geradezu beim Verdunsten zusehen. Ganz überraschend ist es deshalb nicht, dass auch Anleihen arg zerzaust werden. Global sind Anleihen guter Bonität allein in diesem Jahr 13% abgesackt.
Ich bin unschlüssig, was schlimmer ist: -20% bei «gefährlichen» Aktien oder -13% bei «sicheren» Anleihen. Über Bitcoin müssen wir gar nicht sprechen.
Habe ich Ihnen nun einen Schrecken eingejagt? Gut! Ein wenig Respekt beim Investieren ist nie verkehrt. Panik ist allerdings ebenfalls ein schlechter Ratgeber. Wenn Sie Ihr Vermögen gut diversifizieren, nicht unter Einsatz von Fremdkapital spekulieren und nichts kaufen, was Sie nicht verstehen, ist das bereits die halbe Miete. Denn langfristig streben die Vermögenswerte nach oben. Die Rückschläge dazwischen gilt es auszuhalten.
In diesem Sinne: Wiegen Sie sich nicht in falscher Sicherheit!
Ihr Mark Stock©
Mark Stock ist ein Mitglied der Point Capital-Redaktion. «Ich bin begeisterter Börsianer und befasse mich leidenschaftlich gerne mit Wirtschaftsgeschichte. Seit Jahren verfolge ich das Auf und Ab an den Märkten und investiere natürlich auch selber – bevorzugt in Aktien. Mein Name ist also Programm. Jeden Monat greife ich an dieser Stelle ein aus meiner Sicht spannendes Thema auf. Und da der Inhalt und nicht meine Person im Zentrum stehen soll, schreibe ich unter einem Pseudonym.»