Liebe Leserin, lieber Leser
Geldanlegen war auch schon entspannter. Wie aus dem Nichts liegt plötzlich wieder ein Hauch Finanzkrise in der Luft. In den USA kollabierten mehrere Finanzinstitute, darunter Silicon Valley Bank und Signature Bank, die sich auf den lange erfolgsverwöhnten Technologiesektor fokussiert hatten. Kaum lief es dort nicht mehr rund, kam es zu ersten Opfern. Natürlich gesellte sich eine gehörige Portion Selbstverschulden hinzu.
Wie wenn der Bademeister glaubt, er müsse nicht unbedingt schwimmen können, befanden es die fürstlich entlöhnten Bank-Manager der Silicon Valley Bank offenbar nicht für notwendig, das in den Büchern schlummernde Zinsrisiko angemessen abzusichern. Das wohl elementarste Risiko, das eine Bank im Griff haben muss.
Offenbar glaubten die Bank-Oberen (wie übrigens auch viele Vermögensverwalter) den hehren Worten der Notenbanker, die gebetsmühlenhaft immer wieder betonten, die Inflation sei «transitorisch» (das Unwort der Dekade, wenn Sie mich fragen) und die Zinsen werden noch lange niedrig bleiben. Sichere Staatsanleihen? Tja, so kann man sich irren! Schade nur um die, deren Anlagestrategie darauf basierte.
Geldanlegen unter falschen Prämissen
Die vorübergehende Inflation ist allerdings nicht die einzige Gewissheit, die in den vergangenen Monaten ins Wanken geraten ist. Hand aufs Herz: Wären Sie Anfang Jahr die Wette eingegangen, dass eine Grossbank wie die Credit Suisse so mir nichts, dir nichts innerhalb von wenigen Tagen untergehen würde? Einverstanden, das Management war unterirdisch und die Bank war zuverlässig in Skandale rund um den Globus verwickelt. Trotzdem: Die CS war solide kapitalisiert und das Schweizer Geschäft konnte sich durchaus sehen lassen. Aber ist das Vertrauen einmal verspielt, kann es schnell gehen. Wer also meinte, die Credit Suisse sei «too big to fail» und wer noch kurz vor ihrem Untergang auf eine Erholung der Aktien gewettet hatte, guckt jetzt in die Röhre. Geldanlegen sollte eben nicht mit Zocken verwechselt werden. Auch hier führte eine vermeintliche Gewissheit ins Verderben.
«Ich mache mir keine Sorgen um meine Vorsorgegelder bei der CS. Meine Ersparnisse in der Säule 3a liegen unter der Schwelle von 100′000 Franken und sind deshalb durch die Einlagensicherung gedeckt!» Womöglich gehören auch Sie zu den Schweizern, die das glaubten – und plötzlich ihr blaues Wunder und ein Paar schlaflose Nächte erlebten. Denn 3a-Konti werden von der Einlagensicherung nicht erfasst. Immerhin sind sie bis maximal 100′000 Franken pro Kunde und Vorsorgestiftung konkursrechtlich privilegiert. Mit anderen Worten: Man ist nicht gerade zuunterst in der Hackordnung, aber bis man an die Reihe kommt, ist womöglich Magerkost angesagt.
Anleihen stehen in der Hierarchie vor Aktien
A propos Hackordnung: Lange ist es her, aber als ich noch ein sportlicher, junger und dynamischer Mann mit vollem Haar war, lernte ich an der Universität, dass die Aktienanleger zuletzt zum Zuge kommen, sollte ein Unternehmen über den Jordan gehen. Ist ja klar: Aktionäre haben das Sagen und profitieren am meisten, wenn das Geschäft rund läuft. Die Gläubiger haben ein begrenztes Ertragspotenzial, können aber den gesamten Einsatz verlieren und müssen deshalb besonders geschützt werden.
Nun ja, sagen sie das nun unseren Behörden, die mit einem Federstrich alle Coco-Bonds der Credit Suisse für wertlos erklärten! Gleichzeitig wurden die CS-Aktionäre geschont, indem sie Anteile von der UBS erhalten werden. Nicht viele zwar, aber trotzdem ist es haarsträubend, wie hier Aktien gegenüber Anleihen bevorzugt wurden. Viele Vermögensverwalter dürfen zustimmen. Ich gestehe, eine meiner Gewissheiten war, Russland werde nicht in die Ukraine einmarschieren. Wer ist schon so wahnsinnig, dachte ich und schätzte Wladimir Putin als durchaus rationalen Menschen ein. Kurzum: Ich lag komplett falsch und mein Russlandfonds liegt jetzt darnieder (hat da jemand etwas von ungenügender Anlagestrategie gesagt?).
Robuste Anlagestrategie mindert Risiken
Welches sind Ihre Gewissheiten? Dem Fed gelingt eine sanfte Landung? Die Notenbanken werden bestimmt keinen Crash zulassen? In der Schweiz ist der Rechtsstaat felsenfest – oder andere?
Seien Sie auf der Hut: Das einzig sichere im Leben sind die Steuern und der Tod. Beim Geldanlegen gibt es keine Gewissheiten! Anleger sind deshalb gut beraten, auch (vermeintlich) offensichtliche Dinge zu hinterfragen und stets skeptisch zu bleiben, auch wenn alle im Markt von etwas überzeugt sind oder der Vermögensverwalter von einem todsicheren Investment schwärmt (dann ist sogar besondere Vorsicht geboten).
Denn es sind meist diejenigen Sachverhalte, von denen man glaubt, sie seien zu 100% sicher, die sich aber als anders herausstellen, die besonders gefährlich sind. Unwägbarkeiten gibt es immer. Dagegen hilft einzig eine breite Diversifikation, die Auswahl solider Unternehmen und eine vernünftige Anlagestrategie und die Wahl eines seriösen Vermögensverwalters. Sind Sie damit perfekt vor Unfällen geschützt? Nein, aber der Schaden, so er denn eintritt, dürfte überschaubar sein. Wie bei meinem Russlandfonds.
In diesem Sinne: Wiegen Sie sich nicht in falscher Sicherheit!
Ihr Mark Stock©
Mark Stock ist ein Mitglied der Point Capital-Redaktion. «Ich bin begeisterter Börsianer und befasse mich leidenschaftlich gerne mit Wirtschaftsgeschichte. Seit Jahren verfolge ich das Auf und Ab an den Märkten und investiere natürlich auch selber – bevorzugt in Aktien. Mein Name ist also Programm. Jeden Monat greife ich an dieser Stelle ein aus meiner Sicht spannendes Thema auf. Und da der Inhalt und nicht meine Person im Zentrum stehen soll, schreibe ich unter einem Pseudonym.»