Liebe Leserin, lieber Leser
Der Homo Sapiens ist nicht gemacht für die komplexe Börsenwelt. Die Fülle an Zahlen, Meinungen und Kursbewegungen überfordert unser Gehirn. Hinzu kommt der obskure Börsenjargon, der mehr verwirrt, als dass er Licht ins Dunkel bringt. Garniert wird all das durch den steten Lärm der Finanzmedien: «Wie Sie Ihr Vermögen vor dem Totalverlust schützen», «So investiert Lara Gut-Behrami» und Ähnliches kann man dort lesen.
Kommen dann noch die Emotionen ins Spiel (und das lässt sich kaum vermeiden, geht es doch beim Investieren um viel Geld), ist das Chaos perfekt. Im Bullenmarkt investieren Anleger in wertlose Hunde-Coins und investieren auf Pump, in Bärenmärkten verramschen sie alles, was sie können und schwören, nie mehr zu «investieren». Bis sie in der nächsten Hausse wieder vom Spekulationsfieber erfasst werden – natürlich wiederum zum dümmsten Zeitpunkt, nämlich kurz bevor es zum nächsten Abschwung kommt.
Ein paar Tipps für die Navigation im Börsensturm können deshalb nicht schaden.
Erstens, stellen Sie sich auf Schmerzen ein. «Börsengewinne sind Schmerzensgeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld», meinte einst Börsenguru André Kostolany. Wenn Sie sich vor dem Investieren mental auf eine Achterbahnfahrt vorbereiten, wird das unvermeidliche Auf und Ab an den Märkten erträglicher. Gerade jetzt ist es leicht, in Panik zu verfallen. Und genau das wäre der grösste Fehler. Denn für den emotionalen Schmerz am Aktienmarkt werden Anleger auf lange Frist mit schönen Renditen entschädigt. Keiner hat behauptet, investieren sei einfach.
Zweitens, halten Sie sich an Warren Buffett. Sein Ratschlag ist, man solle nichts kaufen, das man nicht zehn Jahre im Depot liegen lassen möchte. Wollen Sie für eine Dekade in einen Doge-Coin investieren? Möchten Sie zehn Jahre die Aktie eines auf den Cayman Islands domizilierten Tech-Unternehmens halten, das viel verspricht, kaum Einblick in seine Zahlen gewährt, noch nie einen Gewinn erzielt hat, aber trotzdem sein Management fürstlich entlöhnt? Eben.
Drittens, gewinnen Sie Distanz. Wer täglich an den Börsenkursen klebt und immer wieder seinen Kontostand überprüft, wird emotional stark in Mitleidenschaft gezogen. In der kurzen Frist entscheidet nämlich der Zufall, ob die Kurse steigen oder fallen. Bei jedem Rückschlag wird gelitten und mit jeder Kursveränderung steigt die Gefahr, dass Sie den Drang verspüren «etwas zu tun» – sei es, Verluste einzudämmen oder Gewinne ins Trockene zu bringen. «Ich kann ja nicht tatenlos zuschauen!», werden Sie einwenden. Doch, doch, nichts tun ist ganz einfach. Und minimiert erst noch die Kosten. Meine Empfehlung: Überprüfen Sie Ihr Depot höchstens einmal pro Quartal. Das schont die Nerven und die Chancen stehen besser, dass sich der Wert Ihres Vermögens in der Zwischenzeit erhöht hat.
Viertens, fragen Sie sich, ob Sie einen Vermögenswert, in den Sie zu investieren gedenken, guten Gewissens auch ihrem besten Freund oder Ihrer Schwiegermutter (ich gehe einmal davon aus, Sie haben ein gutes Verhältnis zu ihr) ans Herz legen können. Falls die Antwort «nein» lautet, lassen Sie besser die Finger davon, denn dann handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein zweifelhaftes Investment.
Fünftens, erstellen Sie eine Anlagestrategie – und halten Sie daran fest! Kein Hüst und Hott, kein Hin und Her, sondern das stetige Umsetzen Ihres Plans trägt langfristig Früchte. Erfolgreiche Sportler ändern auch nicht wöchentlich ihr Trainingsprogramm und stellen die Ernährung regelmässig komplett um. Konstanz lautet die Devise.
Mit diesen Empfehlungen werden Sie zwar ziemlich sicher nicht so reich wie Elon Musk, doch sollten sie Ihnen dabei helfen, die grössten Fallstricke zu vermeiden. Und das ist an der Börse bereits die halbe Miete.
In diesem Sinne: Bleiben Sie diszipliniert!
Ihr Mark Stock©
Mark Stock ist ein Mitglied der Point Capital-Redaktion. «Ich bin begeisterter Börsianer und befasse mich leidenschaftlich gerne mit Wirtschaftsgeschichte. Seit Jahren verfolge ich das Auf und Ab an den Märkten und investiere natürlich auch selber – bevorzugt in Aktien. Mein Name ist also Programm. Jeden Monat greife ich an dieser Stelle ein aus meiner Sicht spannendes Thema auf. Und da der Inhalt und nicht meine Person im Zentrum stehen soll, schreibe ich unter einem Pseudonym.»