Sind Kryptowährungen salonfähig und gehören heutzutage in ein gut diversifiziertes Anlegerdepot? Oder ist es ein reines Spekulationsinstrument? Die persönliche Einschätzung unseres Börsenexperten Thomas Gebert.
Vorab, ich bin kein Freund von Bitcoin und Co. Mich stört der hohe Stromverbrauch. Mittlerweile verschlingt der Bitcoin-Komplex durch Errechnung von neuen Bitcoin und Übertragungen beinahe so viel Strom wie die gesamten Niederlande. Vor allem schien mir ein Punkt von Anfang an einer sinnvollen Nutzung im Wege zu stehen: Bei jeder Transaktion werden durch das spezielle Buchführungsverfahren die Informationen von allen bisherigen Transaktionen mitgeschleift. Dadurch ergibt sich ein exponentielles Anwachsen der benötigten Rechenzeit und damit des Stromverbrauchs. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis mit dem Bitcoin so viel Strom verbraucht wird, wie in den gesamten USA. Der Bitcoin ist also inhärent endlich.
Aber sehen wir einmal von dem hohen Stromverbrauch und den damit verbundenen CO2-Emissionen, gegen die sich über kurz oder lang Widerstand regen wird, ab. Der Bitcoin wird zum Teil auch als sicheres Investment in Krisenzeiten angepriesen, sozusagen als das neue Gold. Aber dieses Bild ist falsch. Beim Goldpreis erkennt man deutlich eine komplementäre Entwicklung zu den Aktienkursen. In Zeiten eines Wirtschaftsaufschwungs, bei dem der langfristige Zins steigt, gewinnen die Aktien, vor allem die zyklischen beispielsweise aus der Automobil- und Chemieindustrie. Der dabei steigende Zins lässt Gold unattraktiver erscheinen. Bei einem Wirtschaftsabschwung, bei dem der langfristige Zins nachgibt und die Industrieaktien zur Schwäche neigen, lebt der Goldpreis dagegen auf, weil ein niedrigerer Zins Gold, das keine Zinsen zahlt, attraktiver erscheinen lässt. So kann man mit einer Kombination von Gold und Aktien die Schwankungen des Depotwertes reduzieren. Diese Funktion übernimmt der Bitcoin nicht, da er, wie die Vergangenheit zeigt, im Prinzip ein «Risk-On»-Investment darstellt. Wenn Aktien steigen, steigt tendenziell auch der Bitcoin. Wenn die Risikoneigung bei einer krisenhaften Zuspitzung mit fallenden Aktienkursen zunimmt, stürzt er auch. Die Bewegungen sind ausgeprägter, aber die Zeitpunkte der Hochs und Tiefs stimmen bei Aktien und Bitcoin einigermassen überein. Man mindert also nicht das Risiko im Depot durch den Kauf von Bitcoin, sondern erhöht es nicht unerheblich.
Es wird immer gesagt, es steckten zig Milliarden Dollar in Bitcoin, aber in den Computern, auf denen die Bitcoins gespeichert sind, steckt ja nicht ein einziger Dollar. Exakt so viel wie in den Bitcoin fliesst, fliesst gleichzeitig wieder heraus, da es für jeden Käufer einen Verkäufer gibt. Es handelt sich also nur um einen Umverteilungsmechanismus, der angibt, wer wem wieviel überweisen muss.
Und nun noch eine ganz persönliche Bemerkung: Mich stören ausserdem die grossen Kursausschläge. Zehn Prozent rauf an einem Tag und in der Nacht 18 Prozent runter wirken auf mich nervlich strapazierend. In solch eine volatile Anlage kann ich nur einen kleinen Betrag investieren und ein kleiner Betrag bringt mir keinen wesentlichen Vorteil. Ich brauche ein Investment, in das ich auch einen grösseren Betrag investieren kann und trotzdem gut schlafe.
Von Thomas Gebert
Verwaltungsrat der Point Capital Group
Börsenexperte und mehrfacher Buchautor
3. August 2021